Wenn die Hitze den Geschmack des Weins neu schreibt
Von Natacha
Bio-Winzerin in Umstellung.
Man hört es überall: Das Klima verändert sich – und der Weinberg gleich mit. Aber was bedeutet das eigentlich im Glas? Schmeckt der Wein noch wie vor zwanzig Jahren, oder reisen unsere Gaumen schon in neue Gefilde? Spoiler: Ja, das Klima hat längst begonnen, eine neue Seite in der Geschichte des Weins zu schreiben.
Reifere Trauben, kräftigere Weine
Mit heißeren Sommern und früheren Lesezeiten erreichen die Trauben höhere Reifegrade. Das Ergebnis: mehr Zucker in der Frucht – und damit mehr Alkohol im Wein. Ein Merlot mit 12,5 % in den 80er Jahren kann heute leicht an die 14 % herankommen. Das bringt rundere, kräftigere Weine… manchmal allerdings auf Kosten der Frische.
Parallel sinkt die Säure. Dabei ist sie es, die dem Wein seine Lebendigkeit und seinen erfrischenden Charakter verleiht. Ein Chardonnay von heute wirkt deutlich opulenter als noch vor einigen Jahrzehnten.
Aromen im Wandel
Auch die Duftnoten verändern sich mit dem Klima. Die frischen roten Früchte eines Pinot Noir entwickeln sich bei mehr Wärme hin zu Konfitürenoten. Gleiches gilt für die Weißen: Die Zitrusnoten eines Sauvignon Blanc können exotischen, fast tropischen Aromen weichen.
Der Wein spricht immer noch von seinem Terroir – aber sein Akzent verändert sich leicht.
Neue Horizonte für den Weinbau
Während manche Regionen mit Hitze und Trockenheit kämpfen, profitieren andere. Rebsorten, die früher kaum reif wurden, finden heute ideale Bedingungen weiter nördlich oder in höheren Lagen. So pflanzt man inzwischen Weinberge in England, Belgien oder hoch oben in den Alpen. Und die Weine schaffen es tatsächlich auf internationale Tafeln.
Also, gut oder schlecht?
Eine einfache Antwort gibt es nicht. Einerseits hat der Temperaturanstieg manchen Regionen zu ungeahnter Qualität verholfen. Andererseits bringt er traditionelle Gleichgewichte ins Wanken. Alles hängt von der Anpassung ab: Wahl der Rebsorten, Arbeit im Weinberg, Zeitpunkt der Lese.
Für den Konsumenten ist das eine Einladung zur Neugier. Einen Bordeaux von früher mit einem heutigen vergleichen, einen Chardonnay aus Burgund neben einen aus dem Süden stellen, neue Regionen entdecken. Wein verändert sich – doch genau das macht seinen Reiz aus: Er bleibt niemals stehen.
Also, beim nächsten Glas: Stellen Sie sich die Frage – trägt dieser Geschmack vielleicht schon ein Stück des Klimas von morgen in sich?
Häufige Fragen zum Klimawandel und zum Weingeschmack
Wie macht sich der Klimawandel im Glas bemerkbar?
Weine sind reifer, oft alkoholreicher, mit niedrigerer Säure und sonnigeren Aromen (schwarze Früchte, tropische Früchte). Das Frischegefühl hängt dann vom Jahrgang, vom Terroir und von der Hand des Winzers ab.
Welche Hinweise auf dem Etikett helfen, frischere Weine zu finden?
Achten Sie auf den Alkoholgrad (oft 12–13 % für mehr Bekömmlichkeit), auf Höhe, Nordlagen, Küstenzonen, natürlich spannungsvolle Sorten (Riesling, Chenin, Gamay …) sowie auf klassischere Jahrgänge je nach Region.
Bei welcher Temperatur serviert man sonnenreichere Weine?
Runde Rotweine: 14–16 °C; opulente Weissweine: 10–12 °C; Schaumweine: 8–10 °C. Eine leichte Kühlung der Rotweine zügelt den Alkohol und bringt das Gleichgewicht zurück.
Ist ein Wein mit 14 % zwangsläufig schwer?
Nein. Wenn Säure, feine Bitterkeit und Salzigkeit den Alkohol ausbalancieren, kann der Wein klar und bekömmlich bleiben. Die Zahl allein genügt nicht: entscheidend ist das Gleichgewicht.
Welche Regionen und Sorten bevorzugt man für Frische?
Oft ja: weniger Säure kann die Entwicklung beschleunigen. Gut gemachte Weine, früh gelesen und sanft vinifiziert, reifen jedoch sehr gut. In sonnenreichen Jahren besser früher trinken – ausser bei Gütern, die für ihre Präzision bekannt sind.
Was tun die Winzer, um sich anzupassen?
Mehr Schatten durch Laubwand, Begrünung, resistente Unterlagen, Wahl von Höhenlagen/Nordlagen, frühere und selektive Lese, sanfte Extraktionen, weniger neues Holz, Integration später reifender Sorten je nach AOC.
Wie kombiniert man reifere Weine am Tisch?
Sonnenreiche Rotweine zu Grilladen (kühler serviert); grosszügige Weissweine zu milden Gewürzen; für Spannung und Jod (Austern/Sashimi) Muscadet, kühle Chablis oder englische Schaumweine wählen.