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Weinlese im Wallis, Herz des Jahrgangs

Walliser Weinlese auf Terrassen, Kisten und Rebscheren im Morgengrauen
Annes Favorit

Von Anne

Winzerin im Wallis.

Es ist die Zeit, in der die Hänge summen und die Rebscheren wie Kastagnetten klacken. Die Weinlese ist nicht einfach nur «Trauben schneiden». Sie ist ein eingespieltes Ballett – vom Tagesanbruch bis in den Keller -, mit nur einem Ziel: das Beste des Jahrgangs einzufangen.

Der richtige Moment zum Schneiden

Alles beginnt lange vor dem ersten Schnitt der Rebschere. Man beobachtet das Wetter, probiert Beeren, schaut sich den Rebstock an. Am Stichtag wird geschnitten. Zu früh, wirkt der Wein mager; zu spät, wird er schwer. Die richtige Balance entscheidet sich auf wenige Tage genau.

  • Timing: Gesucht ist das Gleichgewicht zwischen Zucker (für den Körper) und Säure (für die Frische).
  • Beerengeschmack: Die Schale ist nicht mehr grün, die Kerne bräunen, der Saft erinnert an Frucht, nicht an Bonbon.
  • Wetter: Ein Regenschauer, ein Föhnschub – und der Plan muss mitunter umgeworfen werden.

Auf den Walliser Terrassen fällt die Entscheidung Reihe für Reihe. Der Kalender wird mit Bleistift geschrieben, der Radiergummi liegt griffbereit.

In den Reihen: Rebscheren, Kisten, prüfende Blicke

Im Morgengrauen geht es dem Hang entgegen los. Das Licht ist weich, die Trauben sind kühl. Es wird sauber geerntet: beschädigte Beeren werden ausgelesen, in kleine Kisten gepackt, damit die Trauben nicht zerquetscht werden. Jeder Handgriff zählt, besonders am Steilhang.

Die Träger eilen bis zur Straße oder zum kleinen Hang-Monorail. Im Keller wird gewogen, die Parzellenzuordnung notiert. Eine erste Selektion folgt: die schönsten Trauben auf die eine Seite, jene, die eher in die Assemblage/Cuvée gehen, auf die andere. Kein Drama – nur gesunder Menschenverstand und ein geübtes Auge.

Im Keller: von der Traube zum Saft

Weißweine gehen oft in die Direktpressung: Es wird sanft gepresst, um klaren Most zu gewinnen, danach lässt man den Trub – die feinen Partikel – sich absetzen. Für Rotweine trennt man zunächst die Beeren vom Stielgerüst. Das Ziel: die Frucht bewahren, ohne grüne Herbheit.

Dann folgt die Gärung. Einfach gesagt: Hefen fressen den Zucker und wandeln ihn in Alkohol um, wobei Wärme und Bläschen entstehen. Bei Rotweinen wird der nach oben steigende Tresterhut bewegt, um Farbe und weiche Tannine zu lösen. Nichts Geheimnisvolles: Man überwacht die Temperatur, probiert häufig und justiert mit Hand und Instrumenten.

Stimmung und nach der Lese

Draußen macht die Stimmung den Unterschied: Thermoskaffee am Zeilenende, Witze, die die Steilheit vergessen lassen, und mittags ein improvisierter Tisch in klarer Luft. Abends teilt man eine Flasche vom Gut, um sich zu erinnern, warum man den ganzen Tag gerannt ist: um eine Landschaft ins Glas zu bannen.

Wenn die letzten Kisten eintreffen, ist die Lese nicht «zu Ende»: Sie geht weiter in den sanft murmelnden Gärbehältern. Jede Cuvée nimmt ihren Weg, für unterschiedliche Stile: ein Weißer, geradlinig und lebhaft; ein Roter, sonnenreicher; ein Rosé, der zum Genießen einlädt. Der Jahrgang selbst hat seine Geschichte da schon erzählt.

Zum abschließenden Glas

Wenn Sie das nächste Mal eine Flasche entkorken, werfen Sie einen Blick auf das Jahr und stellen Sie sich das Wetter vor, das es geformt hat. Sanfter Sommer, feiner Wein; großzügiger Herbst, Fülle inklusive. Und wenn Sie im Herbst ins Wallis kommen, spitzen Sie die Ohren: Dieses leise Geklingel auf den Terrassen? Das ist der Klang eines Weins, der gerade geboren wird.

Häufige Fragen zur Weinlese im Wallis

Woran erkennt man den richtigen Zeitpunkt für die Lese ?
Man probiert die Beeren, beobachtet die Farbe der Kerne, verfolgt das Gleichgewicht Zucker/Säure und das Wetter. Im Wallis kann der Föhn die Dinge beschleunigen: Der Kalender wird Parzelle für Parzelle festgelegt, manchmal tageweise.
Warum die Trauben im Weinberg und im Keller sortieren ?
Die doppelte Selektion entfernt beschädigte Beeren, bewahrt die Frucht und passt die Bestimmung an: parzellenspezifische Cuvées, Assemblagen, unterschiedliche Stile. Weniger Fehler beim Eintreffen im Keller, mehr Präzision im Glas.
Was bedeutet Direktpressung bei Weißweinen ?
Die Trauben werden gleich nach der Ankunft sanft gepresst, um klaren Most zu erhalten. Die Trubstoffe setzen sich anschließend vor der Gärung ab, um aromatische Reinheit und Spannung zu bewahren.
Wie steuert man die Gärung von Rotweinen ?
Es wird abgebeert, um grüne Herbheit zu begrenzen, dann lassen wir die Hefen den Zucker in Alkohol umwandeln. Der Tresterhut wird bearbeitet, untergestoßen (Pigeage) oder übergepumpt (Remontage), um Farbe und weiche Tannine zu extrahieren – bei Kontrolle von Temperatur und regelmäßigen Verkostungen.
Welche Auswirkungen hat der Föhn auf die Weinlese im Wallis ?
Der Föhn trocknet nach Regen rasch und konzentriert die Beeren leicht. Nützlich für die Reife, doch er verlangt Reaktionsfähigkeit: Man kann den Schnitt vorziehen oder verschieben, um die Balance zu wahren.
Wie schützt man die Trauben am Steilhang ?
Es wird in kleinen Kisten geerntet, um Quetschen zu vermeiden, vorsichtig zur Straße oder zum Monorail getragen und die Handgriffe werden minimiert. Jeder Schritt zielt darauf, die Trauben unversehrt bis in den Keller zu bringen.