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Mikrooxygenierung: der Atem des Weins

Mikrooxygenierung des Weins im Edelstahltank, dosierte Bläschen
Annes Favorit

Von Anne

Winzerin im Wallis.

Mikrooxygenierung – das klingt nach ernster Technik. In Wirklichkeit ist es ein Hauch, fast ein Flüstern von Luft, das dem Wein gegeben wird, damit er sich sanft entwickelt. Nichts Spektakuläres fürs Auge, doch im Glas kann es den Ausschlag geben: geschmeidigere Tannine, eine stabile Farbe, eine Frucht, die sich ausdrückt. Tauchen wir ein in diese kontrollierte Atmung.

Was ist das eigentlich ?

Die Mikrooxygenierung bedeutet, dem Wein winzige Dosen Sauerstoff zuzuführen – tröpfchenweise und über längere Zeit. Keine große Portion, nein: Mikrobläschen, die in einem Tank durch einen kleinen porösen Stein eingetragen werden. Die Idee? Nachahmen, was ein Fass von Natur aus tut, das über seine Dauben ein wenig „atmet».

Diese Atmung hilft dem Wein, sich zu setzen. Die Tannine reichen sich die Hand, statt aggressive Soli zu spielen. Pigmente binden sich an diese Tannine: Die Farbe gewinnt an Stabilität. Alles geschieht langsam – wie eine Sauce, die man leise köcheln lässt, statt sie zu kochen.

Warum macht man das ?

Fein eingesetzt dient die Mikro-Oxy dazu, den Wein zu formen, ohne ihn zu verfälschen. Konkret möchte man oft:

  • Die Tannine eines jungen Rotweins abrunden, für ein seidigere(s) Mundgefühl.
  • Die Farbe fixieren und verhindern, dass der Wein zu schnell „erblasst».
  • Den Ausbau (Holz, Hefen) integrieren, für mehr Harmonie im Gesamtbild.
  • Kleine, verschlossene oder reduzierte Aromen vertreiben und die Frucht wecken.

Stellen Sie sich eine Weinterrasse am Tagesende vor: ein Hauch Bise, der die Hitze beruhigt und die Gedanken ordnet. Gleiches Prinzip hier: ein dosierter Hauch, der das Profil des Weins klärt.

Wann, wie und bei welchen Weinen ?

Die Mikro-Oxy erfolgt meist nach der Gärung, während des Ausbaus. Vor allem bei Rotweinen: Pinot Noir, Syrah, Cornalin oder Humagne – je nach Charakter des Jahrgangs. Ein kraftvoller, kantiger Wein gewinnt an Form; ein bereits zarter braucht es nicht unbedingt.

Man stellt Dosis und Dauer präzise ein, probiert, passt an. Das ist Feintuning – mit Nase und Gaumen -, kein „Zauberknopf». Und man stoppt, sobald das Gleichgewicht gefunden ist.

Achtung: Zu viel Luft lässt den Wein welken, die Frucht erlischt, die Textur wird hart. Zu wenig, und er bleibt verschlossen, ein wenig rau. Das richtige Maß ist alles. Und wichtig: Mikro-Oxy ist keine Oxidation. Oxidation ist das Zuviel, das den Wein ermüdet und bräunt. Hier sprechen wir von einem kontrollierten Luftfaden.

Spürt man sie im Glas ?

Man „erkennt» die Mikro-Oxy nicht wie eine Rebsorte. Man sieht eher die Effekte: eine klare, stabile Farbe, polierte Tannine, eine Frucht, die spricht, ohne zu schreien. Zeigt ein junger Roter bereits eine schmeichelnde Textur und einen gut gefassten Abgang, hat er vielleicht von diesem diskreten Anschub profitiert.

Kurz: ein Werkzeug, keine Rezeptur. Der Charakter kommt von der Traube und dem Ort; die Mikro-Oxy hilft nur, die Handschrift der Winzerin oder des Winzers in die richtige Richtung zu lenken.

Bevor Sie eine Flasche zum Abendessen öffnen, behalten Sie das Bild im Kopf: Ein Wein braucht – wie eine Geschichte – Luft, um erzählt zu werden. Wirkt Ihrer schüchtern, kann ein wenig Karaffenluft diese Arbeit fortsetzen, ohne zu brüskieren. Und wenn Sie die Neugier packt, fragen Sie bei der Vinothek oder im Weingut nach: „Haben Sie diesen Roten atmen lassen?» Die Antwort führt oft zu schönen Gesprächen … und schönen Schlucken.

Häufige Fragen zur Mikrooxygenierung von Wein

Was ist Mikrooxygenierung, und wie unterscheidet sie sich vom Fassausbau ?
Die Mikrooxygenierung führt über einen porösen Stein in der Cuve winzige, regelmäßig und kontrolliert dosierte Sauerstoffmengen zu. Das Fass „atmet» auf natürliche, aber weniger konstante Weise. Beides zielt darauf, Tannine zu glätten und die Farbe zu stabilisieren – mit unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichem Profil.
Welche Weine profitieren am meisten ?
Vor allem junge, strukturierte Rote wie Syrah, Cornalin, Humagne oder manche Pinot Noirs. Bei einem bereits zarten Wein reduziert man den Eingriff oder verzichtet darauf. Jahrgang, Reifegrad der Trauben und Tannintextur leiten die Entscheidung.
Welche Risiken birgt eine falsche Dosierung ?
Zu viel Luft lässt den Wein welken: Frucht erlischt, oxidative Noten, austrocknende Textur. Zu wenig lässt ein verschlossenes, raues Profil zurück. Der Schlüssel ist regelmäßiges Verkosten, den Durchfluss anpassen und stoppen, sobald das Gleichgewicht zwischen Tannin und Frucht erreicht ist.
Kann die Karaffe die Mikrooxygenierung ersetzen ?
Die Karaffe belüftet punktuell vor dem Servieren; sie kann einem schüchternen Wein beim Öffnen helfen. Die Mikrooxygenierung wirkt während des Ausbaus auf die Struktur selbst – mit dauerhaftem Effekt. Zwei Werkzeuge, die sich ergänzen, aber nicht austauschbar sind.