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Reben schneiden, Wein formen

Von Anne
Winzerin im Wallis.
Reben schneiden – das ist der entscheidende Moment des Winters. Man schneidet, damit sie besser wächst, man dosiert die Energie für die kommende Ernte. Zwischen Morgennebel, kalter Rebschere und in der Sonne warmen Steinen entscheidet der Schnitt ebenso über den Stil des Weins wie über den Ertrag. Hier: wann es losgeht, wie man vorgeht und, vor allem, warum es entscheidend ist.
Wann schneiden ? Das richtige Tempo
Geschnitten wird während der Ruhezeit, nach dem Laubfall und vor dem Frühlingsaustrieb. Konkret: vom Spätwinter bis in den frühen Frühling. Hier, an den Walliser Hängen, wartet man, bis die strengen Fröste vorüber sind, beendet die Arbeit aber vor dem «Weinen» – jenen ersten Safttropfen, die an den Schnittstellen perlen. Zu früh schneiden erhöht das Frostrisiko; zu spät, und der Stock hat den Motor schon wieder gestartet.
Ein einfacher Anhaltspunkt: wenn das Holz trocken, braun ist und die Knospen noch fest geschlossen. Man arbeitet Parzelle für Parzelle, je nach Höhe, Exposition und Wind. Ziel ist es, die Rebe zu begleiten, nicht sie zu drängen.
Warum schneiden ? Drei ganz konkrete Gründe
Der Schnitt ist keine Laune der Winzerin. Er bringt die Balance des Jahrgangs mit wenigen Klingenhieben. Konkret dient er dazu:
- Die Ernte zu regulieren: weniger Trauben, aber besser versorgt – also mehr Geschmack.
- Die künftige Vegetation zu durchlüften: das Blattwerk atmet, die Trauben trocknen nach Regen schneller ab.
- Eine dauerhafte Form zu geben: wir bauen einen Rebstock, der gut altert – ohne unnötige Wunden.
Im Glas: klarere, präzisere Weine, in denen die Herkunft spricht.
Wie schneiden ? Einfach, sauber, überlegt
Kein Fachjargon nötig. Es geht darum, die Saison zu lenken. An unseren Steillagen arbeiten wir oft im Guyot (eine tragende Fruchtrute und ein kleiner Zapfen für das nächste Jahr) oder im Kordon (permanente Arme und jedes Jahr kurze Zapfen). Die Schlüsselgriffe bleiben dieselben:
- Einjähriges Holz wählen, gut ausgereift, weder zu dick noch zu dünn: das ist Ihre fruchtbare Fruchtrute.
- Eine Fruchtrute für die Trauben belassen und einen Zapfen sehr kurz (1-2 Augen) für die Erneuerung.
- Sauber schneiden, leicht schräg, oberhalb einer nach außen gerichteten Knospe – so öffnet sich der Stock.
- Den Saftfluss respektieren: große Wunden am Stamm vermeiden; viele kleine Schnitte sind besser als eine Amputation.
- Die Rebschere pflegen: saubere, scharfe Klingen bedeuten weniger Kraftaufwand und geringeres Krankheitsrisiko.
Sie werden sehen: Jeder Stock erzählt seine vergangene Saison. Man liest alte Wunden, spürt die Wüchsigkeit, entscheidet über das Weitere. Es ist ein Dialog, keine Schlacht.
Klassische Fehler, die es zu vermeiden gilt
Wir haben sie alle schon einmal gemacht. Sie zu erkennen, ist schon die halbe Vermeidung:
- Hastig direkt nach Regen schneiden: das feuchte Holz franst aus, die Wundheilung ist schlecht.
- Zu viele Augen «für alle Fälle» stehen lassen: die Rebe ermüdet, der Wein verliert an Konzentration.
- Zu nah an der Knospe schneiden: sie trocknet ein; zu weit weg: toter Stummel und unnützes Holz.
- Wöchentlich zurückkehren: besser ein gut durchdachter, klarer Eingriff.
Ein gut geschnittener Stock zeigt sich im Frühling: gleichmäßige Triebe, einfaches Anbinden, stimmige Lese.
Zum Schluss: Schneiden heißt wählen – die Menge, die Qualität und sogar den Stil. Beim nächsten Schluck Fendant oder Petite Arvine denken Sie an diese Winterentscheidungen in der klaren Kälte. Und wenn Sie eine Rebe im Garten haben: weniger, aber besser. Eine saubere Schere, ein einfacher Plan und die Bereitschaft, der Pflanze zuzuhören. Der Rest zeigt sich im Glas.
